Angesichts dessen sind Viktimisierungsbefragungen – d.h. die Befragung von Personen, die angeben, Opfer einer Straftat geworden zu sein – ein gängiges Vorgehen in der Dunkelfeldforschung. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen etwa führte im Jahr 2010 eine Online-Befragung von Polizeibeamt*innen in zehn Bundesländern zu ihren Gewaltopfererfahrungen durch (Ellrich/Baier/Pfeiffer 2012). Auch im Hinblick auf das Forschungsinteresse der KviAPol-Studie war eine Viktimisierungsbefragung die zielführendste Methode. Auf diese Weise kann herausgefunden werden, wer sich – unabhängig von einer Anzeige – von Gewalt betroffen sieht, was aus Betroffenenperspektive zur Eskalation führte, welche Folgen die Gewalt hatte und wie damit umgegangen wurde. Solche Befragungsdaten sind subjektiv und bilden die Wahrnehmung der befragten Person ab. Der objektive Wahrheitsgehalt der Angaben kann in solchen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen nicht überprüft werden. Die Daten können jedoch auf Plausibilität überprüft werden, was in der Studie KviAPol im Rahmen der Datenbereinigung erfolgt ist.
Ohne die Perspektive von betroffenen Personen ist die Erforschung des Deliktsbereichs Körperverletzung im Amt stets unvollständig und können zahlreiche Fragestellungen nicht oder nur unvollständig untersucht werden. Die polizeiliche Sichtweise wird im Projekt durch 22 Interviews mit Beamt*innen aus verschiedenen Bundesländern abgebildet.
Literatur
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ELLRICH, K., BAIER, D. & PFEIFFER, C., 2012. Polizeibeamte als Opfer von Gewalt:
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